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Mohammed-Karikaturen - Provokation um der Provokation willen

Eine interkulturelle Staatsaffäre sorgte erst für Rauschen im Blätterwald und der "Blogosphäre", dann für Rauch und Flammen in den Botschaftsvierteln arabischer Hauptstädte. Die dänische Zeitung Jyllands Posten hatte es im September 2005 gewagt, 12 Karikaturen zum Thema "Prophet Mohammed" zu publizeren. Anfang 2006 reagierten muslimische Hardliner empört, Botschafter wurden einbestellt, Schliessungen von Botschaften angedroht, dänische Produkte in arabischen Ländern boykottiert und die Macher erhielten Morddrohungen, von denen man nicht mit letzter Sicherheit sagen kann, wie ernst sie gemeint sind. Eine norwegische Zeitung druckte in Solidarität nach und schob Norwegen damit auch zwischen die Fronten. "France Soir", noch vergleichbarer mit dem führenden deutschen Massenblatt, veröffentlichte sie ebenfalls. Der Verleger kommt aus Ägypten. Der Chefredakteur verlor seinen Job.

Die europäische Öffentlichkeit in Form führender Medien sah die Pressefreiheit in Gefahr und nutzte die Chance, gegen muslimischen Extremismus zu wettern. Dessen Vertreter begannen, gegen den gottlosen Westen zu hetzen. Als die Imame im gesamten Muslimischen Raum in den Freitagsgebeten dazu aufriefen, sich gegen "diese Diffamierungen des muslimischen Glaubens" zu wehren, eskalierte die Situation. Die ersten Botschaften wurden angegriffen.

Westliche Politiker und Diplomaten bemühten sich in Entschuldigungen um Ruhe. Henryk M. Broder salbaderte auf spiegel.de in seiner unnachahmlichen Art vor sich hin: "Der Fall ist ein Beispiel dafür, wie eine demokratische Öffentlichkeit vor einer totalitären Gesinnung kneift." Selbst Burkhard Schröder will sich niemals das Recht nehmen lassen, Religionen zu kritisieren oder zu verspotten - als hätte irgendjemand ihm das nehmen wollen.

In Foren und Blogs mussten Werte wie "Toleranz", "wehrhafte Demokratie", "kulturelles Miteinander", "diktatorische Theokratie", "Verletzung religiöser Gefühle" als Platzhalter in einer Diskussion herhalten, bei der kaum jemand mitbekommen hat, worum es eigentlich ging.

Fakt ist: "Jyllands Posten" hat die 12 Karikaturen publiziert. Fakt ist auch, dass den Muslimen die bildliche Darstellung sowohl des Propheten Mohammed, als auch Gottes nicht erlaubt ist. (Interessant ist hier der historische Hintergrund: Mohammed wollte vermeiden, dass Götzenbilder von ihm angebetet werden.) Gläubige Muslime werden sich von solchen Werken allerdings beleidigt fühlen. Es waren allerdings wiederum keine Muslime, die publizierten. Einige Islamisten wollen diese Regel aber gerne auch auf Nicht-Muslime anwenden.

Fakt ist weiterhin, dass Karikaturisten immer wieder provozieren müssen, wenn ihr Werk die beabsichtigte Wirkung entfalten soll. Das ist seit Ewigkeiten Bestandteil "abendländischer" Kultur und viele von uns schätzen die gelegentlich geschmacklosen Zeichnungen mehr oder weniger. Deren Publikation ist natürlich durch die Pressefreiheit gedeckt. Auch die Kritik der katholischen Kirchen gegen respektlose Jesus-Darstellungen fällt darunter. Man nimmt es zur Kenntnis, bildet sich eine Meinung und gut ist.

Dass nun in Gegenden dieser Welt, die bisher nicht durch Pflege der Pressefreiheit, aber mehr durch undemokratische, unreflektierte Unterordnung unter die Scharia auffielen, solche Karikaturen gerne von Hetzern als Anlass genommen werden, ihr extremistisches Süppchen zu kochen, kann nicht überraschen.

Den Hetzern in unseren Breiten kann das nur Recht sein. Sie wiederum finden in dieser überflüssigen Diskussion genug Argumente gegen den Islam an sich und alle seiner Anhänger, die nach ihrer Meinung im zivilisierten Europa sowieso eigentlich nichts zu suchen haben. Und wenn sie schonmal hier sind, haben sie sich unseren Werten anzupassen. Kurzfassung: "Haltet die Klappe!". In der Version der dänischen Redakteure: "Ihr habt selbst dann die Klappe zu halten, wenn wir Euch beleidigen, wie es uns passt!" So einfach ist die Geschichte aber nicht. Schauen wir uns das doch mal genauer an:

"Jyllands Posten" - Vorkämpfer für die Pressefreiheit?

"Jyllands Posten", Marktführer nach Auflage in Dänemark, gilt als eher konservativ-nationale Zeitung, weniger als Medium, dass sich als Vorkämpfer für interkulturelle oder interreligiöse Dialoge versteht. Die Optik ist seriöser als unsere beliebte Zeitung mit den vier Buchstaben, aber die Meinungsführerschaft ähnlich.

Die Redaktion hatte im September 2005 eine auflagensteigernde Idee einer Qualität, die man von Boulevardblättern gewohnt ist: Man wollte mal einfach so probieren, was in der schlimmen dänischen Muslim-Szene eigentlich passiert, wenn Karikaturen von Mohammed in der Zeitung stehen. Man fragte einige Karikaturisten, 12 sagten zu. Die Werke sprechen teilweise für sich und sind nicht alle schmeichelhaft für das auftraggebende Blatt.

Was passierte? Ganz einfach: Nichts. Muslime, die schon lange in Westeuropa leben, sind im Alltag etwa so muslimisch wie die Mehrheit der Christen christlich: Eher wenig. Man darf getrost davon ausgehen, dass die Aktion "Jyllands Posten" von ihnen gar nicht wahrgenommen wurde. Kluge Menschen lesen was anderes. Erst auf Nachfragen wurde der Verband der Muslime in Dänemark wach und protestierte bei Redaktion und Regierung, ohne dass irgendjemand offiziell reagiert hätte. Das wars fürs erste.

Darin lag der nächste Fehler: In Dänemark nahm niemand die Kritik der Muslime ernst. Selbst eine Forderung nach einem Gesprächstermin für mehreren Botschaftern islamischer Länder wurde mit Hinweis auf die Pressefreiheit abgebügelt. Dies wiederum führte zum energischen Protest etlicher erfahrener pensionierter Diplomaten. Die Regierung Rasmussen knickte erst ein, als der Boykott dänischer Produkte in der islamischen Welt anlief. Hätte man nicht vorher miteinander reden können?

Die Zeit hat die Geschehnisse in Dänemark zusammengefasst.

Damit die Provokation nicht mangels provozierter Menschen verpuffte, fragte die Redaktion mal eben bei einigen muslimischen Organisationen nach, was die denn so davon hielten. Nunja. Wer fragt, kriegt auch ne Antwort. Jetzt erst konnten alle interessierten Beteiligten die Suppe so richtig ans Kochen bringen.

Den Rest erledigte der dänische Imam Ahmed Abu Laban. Er stellte ein Dossier über die wachsende Fremdenfeindlichkeit in Dänemark zusammen (was ohne die fraglichen Karikaturen auch kein Problem gewesen wäre) und begab sich mit einer Delegation auf Rundreise durch mehrere arabische Länder.

Die Delegation ergänzte die Sammlung noch um drei Karikaturen unklarer Quelle (die nicht gedruckt worden waren), und machten vor allem damit Stimmung auf der arabischen Halbinsel. Diese drei Werke allerdings waren geeignet, jedermanns Gefühle zu beleidigen. Es war billiger Müll auf "Stürmer"-Niveau.

Dass dieses Meisterwerk der "Jyllands Posten" jetzt als journalistisches Bravourstück im Rahmen der Solidarität gegen vermeintliche oder tatsächliche Angriffe gegen die Pressefreiheit verteidigt wird, ist eher peinlich. Kofi Annan sagte sehr richtig, zur Redefreiheit gehörten auch Verantwortung und Urteilsvermögen. Dies scheint bei "Jyllands Posten" nicht bekannt zu sein.

(Schon am 27.10.2005 hat Hannes Gamillschag hat eine tiefergehende Zusammenfassung und Analyse der Ereignisse in der Frankfurter Rundschau geliefert. Da war noch relative Ruhe im Karton...)

Wohlgemerkt: Der Auftrag lautete nicht, sich kritisch karikierend mit dem Islam auseinanderzusetzen, sondern im Kontext der konservativen, tendenziell fremdenfeindlichen dänischen Politik den Protest der Muslime zu provozieren, aufgehängt an der Person des Propheten Mohammed. Die satirische Auseinandersetzung mit der politischen Situation im nahen Osten oder die Rolle des Islams wäre kaum ein Problem gewesen. Die Kunst der Karikatur ist in arabischen Ländern bekannt und verbreitet. Auch Extremisten und Terroristen sind regelmässig im Visier der Künstler. Hagalil hat im September 2005 eine nette Sammlung samt Quellen zusammengetragen. Einige Werke seien hier der dänischen Kollektion gegenübergestellt.

Eins ist völlig klar: "Jyllands Posten" hat bewusst und gewollt die Lunte am Pulverfass angezündet. Es war eine Provokation um der Provokation willen. Jetzt ist das Fass explodiert, und die Täter wundern sich, wie ihnen die Kontrolle darüber entgleiten konnte.

Selbstverständlich sind die Ausschreitungen in den arabischen Ländern zu verurteilen. Aber wieder einmal gilt: Es sind fanatisierte Minderheiten, die so reagieren. Leider bekommen sie dort den Freiraum, der ihnen in Europa zu Recht verwehrt wird. (Nebenbei: Für etliche Muslime ist auch das ein Grund, lieber hier zu leben.) Natürlich sollten wir unsere Rede- und Pressefreiheit angemessen verteidigen! Als erster Schritt wäre vielleicht eine bessere Ausbildung von Boulevard-Journalisten geeignet.

Eigentlich erleben wir eine Diskussion, die europäische und arabische Rassisten und Extremisten unter sich führen sollten. In einer Gummizelle. Unbewaffnet. So funktioniert unsere globalisierte Welt aber leider nicht.

Dass Karikaturisten für einen solchen Job ihre Federn spitzen, spricht nicht unbedingt dafür, dass mit guten Karikaturen in Dänemark gutes Geld verdient werden kann.

Arabische Karikaturen


Al-Madina (Saudi-
Arabien), 21. Juli 2005

Man kann solche Themen auch angemessen behandeln, ohne "Religion" überhaupt zu erwähnen. Arabische Karikaturisten kriegen so etwas hin.

Und siehe da: "Die Araber" bzw. "Die Muslime" bilden keineswegs den beschworenen monolithischen Block, der nichts Besseres zu tun hat, als die Welt gewaltsam zu bekehren. Die hier verdeutlichte Einstellung gegenüber dem Terror sollte uns bekannt vorkommen.


Die Flammen bilden das Wort "Terror"
Al-Rai (Jordanien), 10. Juli 2005

Selbstverständlich gibt es weite Kreise in der arabischen Welt, die unsere Sorge über die Entwicklung teilen. Es ist unser aller Job, dafür zu sorgen, dass auch diese Zeichnung nicht Realität wird. Eine Aktion wie die des dänischen Massenblattes trägt wenig dazu bei. Solche Karikaturen in arabischen Medien schon eher.


Al-Watan (Saudi-Arabien), 11. Juli 2005

Es ist immer wieder dasselbe: Menschen mit extrem begrenztem Weltbild gewinnen Einfluss und hetzen weitere Menschen gegeneinander auf. Das gilt für beide Seiten.

Es spricht für eine gesunde Streitkultur, dass das bekannte jüdische Portal Hagalil diese Sammlung zusammentrug. Herzlichen Dank für diese Karikaturen.

Am 02. Februar 2006 wurde hagelil.com gecrackt und alle Inhalte auf dem Server gelöscht. Die Wiederherstellung wird noch eine Weile dauern. Wenn die Auseinandersetzung jetzt in einen "cyber war" ausartet, werden wir noch viel Freude daran haben.



Al-Yawm (Saudi-Arabien), 31. Juli 2005

Man bemerke, dass auch hier uns bekannte Klischees wie blutige Krummsäbel herangezogen werden. Die beste Aufarbeitung von Klischees schaffen immer noch diejenigen, auf die sie angewendet werden. Und bitte: Diese Karikaturen erschienen in Ländern, in denen "Pressefreiheit" ein Fremdwort ist.

Es ist unübersehrbar: Die muslimische und/oder arabische Gesellschaft ist durchaus zu satirischer Selbstkritik fähig - auch in undemokratischen Ländern. Andererseits haben Menschen, die seit langem in europäischen Ländern leben, arbeiten und Steuern bezahlen, irgendwann die Nase voll davon, seit dem 11.09.2001 nur noch als potentielle Terroristen angesehen zu werden. "Jyllands Postens" überflüssige, rein profitorienterte Aktion lieferte ihnen ein Ventil für ihre Wut. Reife Leistung.

In Europa protestierten bisher nur wenige Muslime, und das auch nur im Rahmen der hier üblichen Demonstrationskultur. Man bete zu seinem jeweiligen Gott, dass das auch so bleibt.

Nachtrag 06.02.2006

Die Kopie der Karikaturen hier auf dieser Seite dienen nicht der Solidarität mit den Machern der Zeitung, sondern der Dokumentation der Blamage und der Schwankungsbreite in der Qualität der Werke.

Wir haben die fraglichen Karikaturen aus Sicherheitsgründen vorläufig entfernt. Es ist nicht im Sinne aller Nutzer dieses Servers, wenn dieser zwischen die Fronten eines "cyber wars" gerät, von dem niemand einen Nutzen hat, und an dem wir nicht beteiligt sind. Die Verteidigung der Pressefreiheit um jeden Preis überlassen wir lieber den dänischen Kollegen, die sie missbrauchten.